„Wenn einer eine Reise tut, dann hat er was zu erzählen.“ Selten ist ein Zitat so stimmig, wie nach meiner erlebten Rundreise durch das Reich der Mitte! Stundenlang könnte ich berichten von den Schönheiten, Landschaften und Besonderheiten eines im völligen Umbruch befindlichen Landes. Das Ziel ist klar: die Volksrepublik China will die Nummer Eins auf der Welt sein und übt sich nicht gerade in Geduld. Schließlich hat man lange genug gewartet, entbehrt und sehnsüchtig
auf die Optionen anderer wohlhabender Staaten dieses Planeten geschaut.
Nichts ist mehr so, wie es war. Selbst Einheimische besuchen ihre großen Städte und finden gänzlich andere Straßenbilder vor, als bei ihrem letzten Besuch. In der Dynamik verschieben sich die Grenzen und Superlative. Ich spüre die Ambivalenz zwischen dem vom Wachstum geprägten Gigantismus und der Frage, wo denn das alles hinführen mag? Welches Bild ist das wahre Bild, wird man doch noch immer als Tourist dahin geführt, wie es das politische System gerne haben möchte. Die Schnellzüge und Inlandsflüge geben den Weg und somit das wahrzunehmende Bild des Landes vor. Man muss sich bemühen, wenn man hinter die Kulissen schauen und das Land auch nur im Ansatz verstehen mag. Beispielsweise ist der immense Wachstum der Volksrepublik nur möglich, da Grundstücke und Immobilien nach wie vor dem Staat gehören und spätestens nach 70 Jahren an den Staat zurückfallen. Man kauft also nie Eigentum, sondern de Facto Nutzungsrechte. Somit steht das Allgemeinwohl zumindest langfristig wieder vor dem Wohl des Einzelnen. Dieser zählt nach wie vor nicht wirklich viel – es ist erschreckend zu sehen, wenn Mitarbeiter in einem Restaurant anstelle eines Namensschildes ein „Nummernschild“ tragen! „Es bedient Sie heute die Nummer 37“ – nun denn, einen chinesischen Namen können wir „Lang-Nasen“ uns eh kaum merken. Vor diesem Hintergrund geben sich die Bediensteten oft westlich anmutende Namen, wie mein Masseur Bluce Lee (Kein Tippfehler)! Er war deutlich emphatischer, als sein Kampfname es vermuten lässt.
Gastronomisch sind die zahlreichen Garküchen, Streetfood-Konzepte und Insekten-Outlets für uns Westler natürlich erschreckend, faszinierend, sensationell und suchen bei uns seinesgleichen. In Sachen Hygiene gibt es zahlreiche Verbesserungen – man zieht sich mittlerweile Handschuhe an, wenn beispielsweise der frische Fisch an einer Straßenecke an ebendieser getötet und ausgenommen wird. Frösche werden auf dem Markt lebendig aufgeschnitten und Hunde, als auch Schlangen in Körben zum baldigen Verzehr feilgeboten. Die Erwartung soweit erfüllt! Jedoch: man muss diese Restaurants mittlerweile suchen. Ramen, Nudeln, Geflügel, Suppen und Spieße (auch mit Skorpione) bestimmen neben dem Gemüse das gastronomische Bild. Diese Vielzahl und Auswahl an chinesischer Gastronomie bereitet echte Freude und staunende Blicke – auch weil die (nummerierten) Mitarbeiter immer auffallend freundlich und sehr bemüht sind. Sie haben noch Spaß an uns, spielen die deutschen Touristen wahrlich eine untergeordnete Rolle und wirken somit exotisch! Die Menschen in China gehen viel aus, auch weil der Wohnraum sehr teuer und somit begrenzt ist. Nicht selten leben 4 Personen auf guten 40 qm. Da muss man raus, „sonst kriegst es am Kopf“, wie mein Sohn es deutlich auf den Punkt brachte. Laute Gameshows im TV und Handy, große Lichtspiele, Konsumtempel, etc. sollen ablenken davon, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Der Spagat ist groß zwischen der wahrnehmbaren Armut von Land- und Wanderarbeitern, den Müll-Sammlern und den Mega-Reichen, wie beispielsweise dem Gründer von Alibaba, dem chinesischen Amazon! 1.600.000.000 Menschen wollen satt werden. Eine Herkules-Aufgabe, vor allen Dingen dann, wenn man sich die Tee- und Reisfelder mal abseits der Wege anschaut und versucht, die Plackerei ansatzweise zu verstehen, die so hinter einer Schale Reis steht. Mir tut es weh zu sehen, welchen Preis wir dafür in Euro aber auch gesellschaftlich bezahlen, nur um noch günstiger satt zu werden. Dennoch: die Menschen dort schenken dir ihr strahlendstes Lächeln, auch wenn deren Knochen vor dem Hintergrund des dauernd im Wasser stehen, vor Arthrose schmerzen und mit 50 Lebensjahren quasi Schluss ist. Sie lächeln und müssten uns eigentlich mit der Harke erschlagen. Das nenne ich mal Gelassenheit. Hiervon habe ich versucht, etwas mitzunehmen. Auch wenn es weitaus weniger gläubige Mensch und somit Tempel und Moscheen gibt, als ich tatsächlich angenommen hätte. Es ist nie, so wie es scheint – eine Erkenntnis, die sich schon lange in meiner Beratertätigkeit manifestiert und nun wieder bestätigt hat. Sei offen. Höre zu und öffne dich gegenüber den Neuen. Sehe und staune – denn daran wirst du wachsen. Ich kann dir dieses Land nur an Herzen legen. Es ist sehr beeindruckend!
Stationen waren: Peking (Beijing),Xi’an, Shanghai, der Yangtze, Chengdu, Hongkonk, etc.
Auf bald!
Ihr
Björn Grimm