Liebe Gastronomen, Hoteliers und Freunde der Branche,
bereits der schottische Nationalökonom Adam Smith stellte im 18. Jahrhundert fest, dass eine ökonomische Aktivität eine Form wechselseitig nutzbringender Kooperation sei. Er schrieb: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“
Der Eigenliebe des Bäckers ist es zu also zu verdanken, dass wir satt werden. Sollten wir nicht jetzt die Chance nutzen, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen und an unserer Selbstliebe zu arbeiten? Die jetzt sichtbaren Probleme zeigen hart auf, welch systememinente Schwachstellen insbesondere die Gastronomie über Generationen begleitet. Sind nicht wenige gastronomische Unternehmen eher einem typischen „Gastgeber-Gen“ verschrieben, denn einer wirtschaftlich ausgeprägten und auf Ertrag orientierten Sichtweise.
Der zwanghafte Hang zum permanenten Feilschen, also zum Verbilligen unserer Leistungen, als auch die vielerorts aufgebauten Überkapazitäten sind ein Teil des Problems. Wir sollten uns nicht weiter an der Zerstörung eines vernünftigen (!) Preis-Leistungsverhältnisses beteiligen und den Gast im schlimmsten Fall einfach ziehen lassen. Denn er wird wieder zurückkommen, da er ja nach wie vor seine Bedürfnisse nach einem kommunikativen Abend – ganz gleich, ob im Rahmen eines Menüs oder einer opulenten Bankettveranstaltung – befriedigt bekommen möchte.
Zahlreiche Gastronomen lernen jetzt angesichts der Coronakrise, ihre Ansprüche an Fördermittel und Liquidität im Blick zu halten. Ein geöffneter Monat darf kein größeres Defizit nach sich ziehen, als ein geschlossener Monat. Vorbei die Zeiten, in denen sich die Branche Umsätze erkaufte, ohne die eigene Kosten-Nutzen-Effekte zu kennen. Wir sollten die sich darbietende Chancen nun nutzen, um auch ein rationales und faires „Nein“ zu lernen bzw. klare Bedingungen für eine gute und auf Augenhöhe bestehende Geschäftsbeziehung mit unseren Gästen zu definieren.
Nie war die Zeit reifer, die Verkaufspreise und Bedingen neu aufzustellen. Vermeintlich etablierte Kalkulationsfaktoren und Kosten-Quoten haben sich überholt. Die Deckungsbeitragsrechnung ist nun die aktuelle Losung – mathematisch gibt es keinen anderen Weg. Jeder Unternehmer muss sich jetzt fragen, ob die Erträge und Gewinne der Vergangenheit für die Herausforderungen (und aufgelaufenen Verbindlichkeiten) der nahen Zukunft ausreichen werden.
Die Karten werden neu gemischt – die Speisekarten neu geschrieben. Bitte berücksichtigen Sie jedoch, diese nicht nur auf der linken Seite anzupassen, sondern auch auf der rechten/ inhaltlichen Seite Neuerungen vorzunehmen. Bringen Sie ihre Gerichte in die neuen Zeiten und schaffen Sie mit unverwechselbaren und besonderen Angeboten echte Mehrwerte für Ihre Gäste. Qualität sticht–es ist die Chance, den Anteil an gesunden, Bio und veganen Artikel signifikant zu steigern. Einfach die Preise nur zu erhöhen, ist zu kurz gedacht.
Suchen Sie nach weiteren Ertragsquellen im Unternehmen. Kämen Sie auf die Idee, ein Hotelzimmer zu verschenken, wenn der Gast damit droht, bei Ihnen zu Abend zu essen? Nicht? Warum verschenken dann noch viele Betriebe Ihren Saal/ die Veranstaltungsräume und nötigen den Gast zu Mindestumsätzen, was dann ja auch wieder viel Arbeit bedeutet? Wäre es da nicht klüger, eine vernünftige Raummiete in Form einer Servicepauschale zu etablieren? Und wie gehen wir zukünftig mit den zahlreichen Arbeitsstunden in der Nacht um, die wir unseren Mitarbeitern doch auch gerne zahlen wollen. Der Gast muss lernen, dass es Überstunden im Rahmen einer Feier nicht mehr zu Lasten des Unternehmers geben kann.
Hier stehen wir übrigens neuen Herausforderungen gegenüber. Der Mindestlohn, als auch die Löhne insgesamt kennen nur eine Richtung. Die Sprünge sind riesig, wenngleich sie uns die Defizite der Vergangenheit aufzeigen. Ob uns diese Erhöhungen neue Mitarbeiter bringen werden, muss sich noch zeigen. Aber es richtig und wichtig, um überhaupt noch Kollegen in den Betrieben halten zu können.
Zu dieser neuen Wahrheit gehört aber auch, dass jetzt jeder Betrieb genau analysiert und betrachtet werden muss, denn wir können uns keine teuren Leerzeiten mehr erlauben. Dort, wo wir früher eine personelle Reserve eingeplant haben, muss es zukünftig heißen, dass man es jetzt auch so schaffen muss und dieie Kollegen zur Not noch einen Schritt schneller laufen müssen. „Das „Eh-Da-Management“ hat sich überholt. Betrieb sind auf Effizienz zu steigern, denn die Personalkosten setzten sich aus Menge mal Preis zusammen. Preise gehen hoch, also müssen die Mengen in Teilen runter!
Das wird die Digitalisierung, den Conveniencegrad in den Küchen und die Kommunikation mit dem Gast vorantreiben. Echte Kollegialität und Gemeinschaft muss entwickelt und gelebt werden. Wer immer noch meint, es mit den Grundzügen einer ordnungsgemäßen Buchführung nicht so genau nehmen zu müssen – ganz gleich ob als Arbeitgeber oder als Mitarbeiter, der das Unternehmen erpresst – spielt nicht fair und schadet der Branche insgesamt. Das darf es keine zweite Meinung geben. Dann besser ein klares „Nein“!
Billig geht immer zu Lasten der Ökologie (Natur und Tierwohl), der Mitarbeiter oder des Unternehmers. Damit sollte nun endlich Schluss sein Es ist an der Zeit Eigenverantwortung für das eigene Tun zu übernehmen und den Gästen aufzuzeigen, welchen wichtigen Beitrag diese mit einer leistungsgerechten Bezahlung unserer Dienstleistungen und somit dem Fortbestand der Branche leisten können. Ich wünsche mir jene prominente Vertreter der Branche für zukunftsorientierte Kampagnen, in denen der mündige Bürger über die Qualitäten und Preisgestaltungen der Branche vernünftig aufgeklärt wird. Denn alleine können wir es kaum schaffen! Die Gastronomie bleibt der soziale Kit unserer Gesellschaft – es geht um weitaus mehr, als um ein paar Restaurantplätze!
Auf ein authentisches Miteinander.
Euer
Björn Grimm