Interview mit Björn Grimm „Koch ist nicht gleich Koch“

Das Berufsbild des Koches gibt es schon sehr lange. Die Anforderunngen an die Köche und  Küchenchefs haben sich jedoch im Laufe der Zeit enorm gewandelt und sich den heutigen Gegebenheiten angepasst. In vielen Bereichen stehen die Köche demzufolge heute ganz anderen Herausforderungen gegebenüber als noch vor 10 oder 20 Jahren.

Herr Grimm, wann haben Sie das letzte Mal jungen Menschen die Abschlussprüfung abgenommen?

Da ich scheinbar zu kritisch bin, wurde ich schon lange nicht mehr als Prüfer eingeladen..

Kritisch wem gegenüber?

In der Kumulation regt mich das Leistungsniveau der jungen Menschen auf. Man ist immer auf der Suche nach wirklichen Perlen, wird jedoch zunehmend enttäuscht. Ich möchte nicht in den allgemeinen “Sing-Sang“ verfallen, demnach früher alles besser gewesen sei. Dennoch bleibt sicherlich festzustellen dass das Leistungsniveau und somit auch die Anforderung an Beruf und Prüfung deutlich anspruchsvoller gewesen sind. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie jemand, der sich für diesen Beruf entschieden hat, keiner Berufung folgt. Es ist beschämend, mit einer Pannacotta auf Bestehen oder nicht Nicht-Bestehen geprüft zu werden. Ist der Prüfling gar kreativ und legt eine Viertel Erdbeere auf das Dessert diskutieren die Prüfer ernsthaft, ob es für ein „gut“ reicht – da krieg ich Puls! Aber wehe dem, da ist mal jemand gut – da wird das sprichwörtliche „Haar in der Suppe“ gesucht. Ich hätte große Lust, gemeinsam mit einem TV-Team einige Hausfrauen in 10 Tagen für eine Abschlussprüfung vorzubereiten und diese den Prüfungskommissionen zuzuführen. Die bestehen garantiert!

 

Dieses Problem wird ja schon lang diskutiert – Worin liegt es Ihrer Meinung nach?

Ich glaube dass das Problem mannigfaltig ist. Pauschal die jungen Leute zu verurteilen ist nicht richtig.

Schließlich gibt es zahlreiche junge Leute, die sich mitunter ehrenamtlich und voller Enthusiasmus für zahlreiche Projekte engagieren und auch gerne Verantwortung übernehmen. Dennoch ist festzustellen, dass gerade der Einstieg ins Berufsleben für viele junge Menschen, alles andere als einfach ist. Hinzukommt, dass zahlreiche Ausbildungsbetriebe mit den Anforderungen selbst überfordert sind. Es haben ja mitunter vor 15 Jahre, ja schon die Falschen eine Prüfung bestanden, weil sie aus guter Absicht heraus durchgewunken wurden. Das rächst sich jetzt. Von der Industrie als auch von den Gästen getrieben, finden zahlreiche Convenience-Produkte Zugang zu den mittelständischen Betrieben im Mittelstand, demnach auch dort die inhaltlichen Ansprüche zunehmend zurück gehen. Es ist erschreckend, wie viele Betriebe auf Fertiggerichte als Lösung ihrer Problem setzen. Dies mitunter völlig unreflektiert.

 

Und die Rahmenbedingungen?

Natürlich spielen die eine gewichtige Rolle. Wir sollten aber auch nicht außer Acht lassen, das mit über 1 Mio. Menschen noch so viele Beschäftigte in der Gastronomie tätig sind, wie noch nie! Da muss man relativieren, zumal die jungen Leute gar nicht das große Problem mit der Wochenendarbeit haben, wie immer suggeriert wird. Zahlreiche Ausbilder haben nur vergessen, dass der originäre Zweck gemäß Ausbildungsvertrag das Vermitteln von Inhalten und das Heranführen an die Prüfung ist. Es sind also mitunter auch die Betriebe und Ausbilder als vertragsbrüchig zu bewerten.

Wo geht die Reise hin?

Wir nehmen im Rahmen unserer Küchencoachings wahr, dass sich die Arbeit und somit der Markt in zweierlei Richtungen bewegt. Zum einen gibt es die High-End Küche, die sich mitunter auch im Sterne Bereich wieder findet. Auf der anderen Seite die, ich nenne sie „Lebensmittel-Verwerter“, denen es nur noch darum geht, die Gäste schnell, günstig und unkompliziert satt zu machen. Die Mitte wird hier zunehmend immer dünner und hat es immer schwerer, sich klar zu positionieren.

Das klingt sehr negativ, Herr Grimm!

Ja – aber ganz so schwarz mag ich nicht malen. Wir bekommen Rückmeldungen von Betrieben, dass sie vor dem Hintergrund, das sie noch frisch kochen tatsächlich Auszubildende finden. Das gibt mir Hoffnung.

Was bedeutet dies für die Ausbildung?

Ich denke das wir uns Gedanken machen müssen, welche Berufsbilde

 

r mit welchen Inhalten wir tatsächlich brauchen. Zum einen gibt es sicherlich den Bedarf an dem „Koch plus“ der sich berufen fühlt, für gewisse Inhalte wie Ethische Verantwortung, Ernährungsverhalten und -Physiologie zu stehen und seine Aufgabe sehr ernst nimmt. Hier geht es nicht allein um das künstlerische Tun am Teller, sondern um die Verantwortung, der sich ein Koch zu stellen hat. Zum anderen brauchen wir vielleicht den so genannten “System-Koch“, der sich auf die Nutzung der Küchentechnik versteht und den dortigen Anforderungen gerecht wird. Dies ist nicht despektierlich gemeint oder gar abwertend, sondern es geht darum die jeweiligen Spezialisten in den jeweiligen Ausbildungsberufen für die jeweiligen Berufe auszubilden. Gerade in der Gemeinschaftsverpflegung gibt es ganz andere Anforderungen, als im klassischen Berufsbild des Koches.

Klingt spannend – und weiter?

Wer als Koch irgendwann einmal seine 3.000 € und mehr verdienen möchte, braucht einen adäquaten Nachweis über seine Fach- und Sachkenntnisse. Wir dürfen doch nicht vergessen, dass wir mitunter von den schwächsten Gliedern der Gesellschaft erwarten, dass sie hoch komplexe Aufgabenstellungen wahrnehmen sollen. Gerade in der klassischen Gastronomie sind doch die Arbeitsbedingungen tagtäglich anders. Sei es in den wechselnden Anforderung der Gäste, in der Bestellreihenfolge oder auch im Zustand der jeweiligen Gemüse-, Fleisch- und Obstsorten, die regional und saisonal sehr variieren können. Es kann doch nicht richtig sein, dass wir im Bürowesen mittlerweile über mehrere unterschiedliche Ausbildungsberufe verfügen, aber mit dem Berufsbild „Koch“ die heutige Komplexität abdecken wollen. Die jungen Menschen sollen in ihrem Berufsbild ihre Berufung finden, um sich dann zu qualifizieren. Dann bekommen wir auch wieder Niveau, Leistungsbereitschaft- und Wille in unsere Branche. Derzeit fühlen sich doch zahlreiche jungen Menschen als Verlierer, wenn sie sich und ihre Berufsabsicht verteidigen müssen. Das ist nicht gut und schadet unserem Image. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass aus der heute ausgebildeten Mitte, die kommenden Ausbilder, Existenzgründer, Betriebsleiter und Außendienstleister der Branche generiert werden.

Wer mehr von Björn Grimm und über seine Art zu denken erfahren mag, ist eingeladen, sich unter www.gastronomieberatung.de sein Fachbuch „Der Küchencoach“ zu bestellen. Es wurde von der gastronomische Akademie mit der Silbermedaille bedacht.

 

Bildnachweis: KD Busch / compamedia

Wir freuen uns über die Auszeichnung Top Consultant 2023!